31.Etappe 15.09.2010

Mombuey – Puebla de Sanabria
Ein Spanier, mittleren Alters, lag vor mir oben im Doppelstockbett und deckte sich abends mit einer Alufolie zu. Die Folie hing über meinem Kopf! Obwohl er in Merida begonnen hatte war er noch nicht braun. Er kam mit freiem Oberkörper in die Herberge, es machte den Eindruck als ob er jetzt noch schnell Bräune tanken wollte. Er erinnerte mich stark an den jungen Mann im Film „Pilgern auf Französisch“, der mit einer leitenden Position prahlte und zum Schluß am Schalter einer Sparkasse saß. Die Nacht mit raschelnder Alufolie schien verheißungsvoll zu werden.

Um 5:00 klingelte ein Wecker! Nicht meiner, es war mein Spanier mit der Alufolie. Hurtig stand er auf und setzte sofort eine Stirnlampe auf. Der Schein traf mich auch einen Moment später voll ins Gesicht. Ich hatte den Eindruck in einem schlechten Film mitzuspielen. Der Reißverschluß des Rucksacks wurde geöffnet und dann begann ein Raschelmarathon. Er holte alle Beutel raus – es waren alles stark raschelnde Folien – und fing an zu packen und umzupacken. Meine für Ihn hörbare Reaktion schien Ihn nicht sonderlich zu stören. Seine Aktionen zum Bad / im Bad waren auch gut hörbar. Die Krönung des Ganzen kam aber nun. Er ging mit Beuteln zu Tisch im Raum, dabei stieß er noch lautstark gegen die Bank und fing nun raschelnd an zu frühstücken. Nach 40 Minuten wurde beim Verlassen der Herberge noch als Abschluß lautstark die Tür geöffnet und geschlossen. Dann trat endlich wieder Stille ein.

Um 6:30 zog ich mich an und schleppte leise meine Sachen aus der Herberge. Draußen verstaute ich meinen Schlafsack, die anderen Sachen waren am Abend bereits gepackt. Mein Frühstück nahm ich auf einer Bank 20 m weiter unter einer Laterne bei der Kirche ein. Es war ein warmer Morgen.

Inzwischen kam Markus aus der Herberge und machte sich auf den Weg. Kurz vor der Großbaustelle – die Baustelle hatte mich wieder – holte ich Ihn ein. Das Weitergehen war verboten doch kein gelber Pfeil zeigte eine Umgehung und so gingen wir einfach weiter. Wir landeten an den Rand der ausgebaggerten Straße etwa 10 m tief unter uns. Der Rand war nur notdürftig abgesichert. Nun standen wir etwas irritiert am Grand Canyon im Kleinformat. Dann aber entdeckte Markus weiter oberhalb der neuen Straße eine Rampe nach unten.

Kaum das wir unten angekommen waren fielen mir zwei von meiner Stirnlampe angestrahlte, funkelnde Augen auf. Nicht weit vor uns lagen zwei große Hunde mitten auf der Straße. Ein leichtes Unwohlsein schlich sich bei mir ein, aber wir schritten einfach an den Hunden vorbei zur anderen Seite auf den dortigen Rand der Straße. Als wir im Abstand von etwa 3 m an den Hunde vorbei kamen legten sie müde ihre Köpfe wieder auf die Straße.

Die Straße war mit dickem Staub bedeckt, man versank mehrere Zentimeter. Gut das es nicht regnete. Dank meines Navis fanden wir schon bald wieder den Camino.

Langsam wurde es wieder hell und die Landschaft bot wieder einen herrlichen Anblick, ähnlich wie tagszuvor. Nach und nach tauchten Reste verwitterter Steinmauern auf und die Flächen waren stärker bewaldet. Im zweten Dorf machte ich eine kleine Pause. Dann folgte Dorf an Dorf wie an einer Perlenkette gereiht. Bei einer längeren Strecke – heute waren es 32,4 km – ist so etwas abwechslungsreicher und macht das Laufen leichter.

Die Dörfer erinnern immer mehr an Galicien. Gegen Mittag kam ich durch einen Waldbrand verwüstetes Stück. Keine Pfeile mehr in Sicht und auch keinen eindeutigen Pfad erkennbar. Schon zum zweiten Mal half mir mein Navi weiter. Ich durchlief inzwischen Dickicht und kletterte über alte Mauern, dann aber hatte de Camino mich wieder.

Im folgenden Dorf sah ich nicht weit vom Weg eine Bar und vorher einen netten schattigen Platz. Also zur Bar und dort kaufte ich 1,5 L kaltes Mineralwasser für 1 EUR. Auf einer schattigen Bank aß ich mein Rest Brot und Käse. Markus traf auch ein und holte sich auch etwas zu trinken und so wurde aus der kurzen Pause eine längere.

Auf dem nun folgenden Stück hatte ich eine Attacke besonderer Art. Plötzlich umschwärmten mich hunderte kleine Fliegen. Selbst Autan war nutzlos. Ich nahm meine Stöcke in die linke Hand und wedelte fast 2 Stunden mit meinem Hut vor meinem Gesicht. Ohne das Wedeln hätte ich einen Fliegennachtisch gehabt. Später berichtete mir Markus und Jose ebenfalls von den Fliegen.

Das letzte Stück verlief fast nur bergauf auf kleinen Landstraßen und ich lieferte mir mit Jose noch einen kleinen Wettkampf. Am Ortsanfang hatte ich Jose dann doch eingeholt und wir trafen zusammen in einer netten Privatherberge ein. Mir verpasste Jose den Spitznamen: Walkingmachine.

Mein spanischer Raschler war schon da. Zu seinem Glück duschte er nur hier und fuhr mit dem Bus weiter nach Ourense. Zu weit um in Zukunft gemeinsam in einer Herberge zu übernachten.

Die Altstadt mit Kirche und Burg liegt oberhalb der Herberge. Ich werde allerdings nicht mehr dort rauflaufen, mein Pensum für heute ist erreicht.

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3 Antworten zu 31.Etappe 15.09.2010

  1. pilgerWITWE sagt:

    Ich lese Deinen Bericht jeden Tag. Es ist sehr interesant und lustig.
    Ich wußte nicht das Du so gut schreiben kannst. Eine Japanerin aus bei Bern verpasste mir Spitznamen „Pilger-Witwe“ ,Sie heiß „Orientierungs-Witwe“,ja ok so. Sie liest es auch oft,denke ich.

  2. Geertje sagt:

    Liebe Werner,

    Lese deine Berichte gerne! Du bist wirklich in dein Element, spezial mit dem Spanischen Pilger!! Walking Machine, das hoert mich bekannt in meine Ohren. Wie ein Turbo laufst die den Weg.
    Heute Morgen fahre ich ab nach Frankreich. Samstag faengt fuer mich die Via Tolosana an. Ich hoffe Anfang nov. in Pamplona an zu kommen. Leider kann ich dein blog nicht mehr lesen.
    Wuensche dich noch viel Spass und nette Leute auf der Via de la Plata!
    Liebe Gruesse, Geertje

  3. Traudl sagt:

    Hallo lieber Werner,
    ich lese mit Vergnügen Deine Berichte. Der spanische Raschler und die Walking-Machine haben mir sehr gut gefallen.
    Also weiterhin mucho Suerte.
    Traudl

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